Wir, zwei Ladies und ein Gentleman, wollten der alljährlichen Vormonsoon-Hitze Kuala Lumpurs entfliehen. Auf in die kühlen Cameron Highlands. Frische Erdbeeren, knackiger Blumenkohl, grüner Spargel, und in der Bar des Merlin Hotels (jetzt Cameron Highlands Resort) lockte ein Kaminfeuer. Das könnte ein unvergessliches Wochenende in der Hill-Station werden. Wohl war, wohl war, unvergesslich.

Die Anreise

Mit Freundin Moni heizten wir über den hervorragenden Ipoh-Highway nach Tapas, einem Örtchen am Fuße der Highlands. Von hier aus windet sich eine einspurige Straße durch Dschungel und Bambuswälder steil aufwärts. Very windy, so die Malaiien. Keine Straßenbefestigungen, links die überhängenden, schroffen Felsen, rechts ging es dschungelig einen steilen Abhang hinunter. Am Straßenrand stellten Orang Aslis auf primitiven Verkaufsständen ihre Ethno-Schnitzereien aus Holz und Kokosnuss aus. Leider wird für die Aslis und ihre Negritokultur in der modernen Welt Malaysias bald kein Platz mehr sein. Sie jagen teils noch mit dem Blasrohr, und zum Ärger der Behörden erlegen sie wilde Schweine. Das unsaubere Tier wird dann an die schweinefleischverrückten Chinesen verkauft. Das wird von den regierenden Moslems gar nicht gerne gesehen. Auch das Aslis indonesische Gastarbeiter heiraten und den sogenannten Indon-Workers eine Aufenthaltsgenehmigung verschaffen, o – nein, das sehen die regierenden Malaien erst recht nicht gerne. Wir jedenfalls erstanden bei den Aslis hübsche Holzschalen.

Briten und die Teeberge

Das Klima in den Camerons ist ähnlich dem in Europa. Das kam den heimwehkranken Briten natürlich entgegen. Ein Golfplatz wurde angelegt und stilechte Villen im Tudor-Stil errichtet. Besonders imposant ist das Ye Old Smoke House mit original kolonialen Interieur, Queens-Rasen und den obligatorischen Rosenbüschen. Auf den sanften Berghängen wird Tee angebaut. Wir stoppten immer gerne bei der Firma Boh-Tea und hechelten uns durch das angebotene Programm. Ein Tässchen Tee mit Cookies und Scoones erinnerte an Good Old England. Der herrliche Ausblick auf die grünen Teeberge war for free. Die Firma Boh-Tea ist seit 1930 im Besitz der Familie Russell.

Heil angekommen

Trotz Orang Aslis und mörderischen Abhängen erreichten wir heil die Distrikthauptstadt Tana Rata. Ein Spaziergang durch den herrlichen Hotelgarten entspannte und machte Appetit auf das Dinner. Die riesigen Farne in der Highlands sind bemerkenswert, und im Hotelgarten gab es Exemplare von enormen Wuchs. Nach dem Dinner lockte die Bar mit dem gemütlich flackernden Kaminfeuer. Zu uns gesellte sich ein Brite aus Hongkong mit seiner chinesischen Frau. Da Hongkong unausweichlich an China im Jahre 1999 zurückgehen wird, hatte er sich schon mal vorsichtshalber eine Wohnung in Malaysia gekauft. Und für ihn als begeisterten Golfer war Malaysia mit den exzellenten und überaus günstigen Plätzen ein Golf-El-Dorado.

Wir sind dann mal weg

Die drei Protagonisten marschierten am nächsten Morgen voller Tatendrang Richtung Regenwald. Ein asphaltierter Weg führte zunächst zu einem Aussichtsturm, den wir mit einigen Touristen erklommen, und die Aussicht auf Dschungelgrün, Golfplatz und Berge genossen. Am Spazierweg war unglücklicherweise eine Hinweistafel umgekippt, und mit unfehlbarem Sinn für Dramatik wurde der falsche Weg genommen. Dieser wurde immer schmäler und endete in einem lehmigen Pfad. Ein wenig orientierungslos liefen wir weiter durch den Dschungel, trafen auf deutsche Wanderer mit einer gigantischen Kamera-Ausrüstung. „Wir gehen denselben Weg wieder zurück. Alles andere ist uns zu unsicher,“ meinten sie. Weicheier. Den ganzen Weg zurückgehen? Und wieder gab es eine kleine Gabelung. Links oder rechts? Wir nahmen den linken Pfad. Falsch! Die recht beunruhigende Geräuschkulisse ließ die Nackenhaare hochstehen. Es zirpte, knackte und raschelte. Dazu dröhnte das eigene Schnaufen in den Ohren. Durst, die Füße taten weh, und irgendwie entwickelte sich die Situation kafkaesk. Stories über das Verschwinden von Menschen in den Bergregionen gingen uns durch den Kopf. So die Jim Thompson-Story, die Fraser-Story und das spurlose Verschwinden vier französischer Marines einer Eliteeinheit. Die kampferprobten Männer wurden nie mehr gesehen. Und drei Anfänger tappten immer noch durch den Dschungel. Seit zehn Uhr morgens waren wir unterwegs ohne Getränke und Lebensmittel. Richtige Wege gab es keine mehr, wir marschierten nur noch auf ausgetrockneten Bachtälern und schlammigen, schmalen Pfaden. Einige Male waren wir sogar gezwungen, uns an Baumwurzeln herunter zu hangeln und wieder hochzuziehen. Indiana Jones ließ grüßen. Ein leichter Wind strich durch die Baumkronen, und wir fröstelten trotz Wärme. Es war schon vier Uhr, und um halb sechs würde es stockfinster sein. Unsere coole Freundin ließ sich nichts anmerken. Sie hatte bereits eine Flusstour zu den Langhäusern in Sarawak gemacht und bei ehemaligen Kopfjägern gewohnt. Vielleicht half das, alles etwas entspannter zu sehen. Aber auch sie schwächelte irgendwann.

Die Baumkronen waren zu hoch, um irgendetwas erspähen konnten. Und hochklettern, na ja, aus dem Alter waren wir leider raus. Ich dachte pausenlos an die unfreundlichen Tiere, die hier krabbelten, schlichen und schlängelten. Wenn sie uns nicht jetzt schon auf den Fersen waren. Gab es da nicht noch den malaiischen Tiger? Dann die Riesenpythons, Mörderwarane, Monsterspinnen, Bären und überhaupt, die malaiische Fauna könnte uns unerfahrenen Dschungelwanderern schnell den Garaus machen. Und langsam machte sich Panik breit.

Da, auf einmal war ein leises Rauschen zu vernehmen. Was empfahlen Winnetou und Lederstrumpf in der Fachliteratur unserer Jugendzeit? Hast du dich verlaufen, folge einem Bach. Wir folgten. Und tatsächlich, das Rauschen verstärkte sich. Ein Bach plätscherte aus einem Erdhügel heraus und bahnte sich einen Weg den Berg hinunter. Wir folgten seitlich dem Bach und dann plötzlich: Autogeräusche! Nur noch durch einige riesige Farnbüschel kämpfen und dann – eine Landstraße. Anscheinend waren wir filmreif im Kreise gelaufen, wie später der Hotelmanager versicherte. Er hätte auf jeden Fall eine Suchmannschaft nach zwanzig Uhr losgeschickt (beruhigend?). Eine heiße Dusche bewahrte uns vor dem höllischen Muskelkater. Der Hunger war vergangen, dafür gab es ein Besäufnis an der Hotelbar mit dem willfährigen Briten und seiner Hongkong-Lady. Es wurde noch über unser Abenteuer gesprochen, wir aber hockten die nächsten Tage nur noch im Auto und stiegen gerade mal aus, um Obst und Gemüse zu kaufen. Oder sich beim High-Tea im Old Smoke House mit Scoones und Erdbeeren vollzustopfen.

Hauptakteure einer neuen Serie „Lost in den Highlands“ zu werden, ja, das wäre passend. Ähnliche Stories gibt es bereits, und nicht alle Wanderer kommen so glimpflich davon. Thompson verschwand, Fraser verschwand. Obwohl Mr. Fraser durchaus Grund hatte, zu verschwinden. Er war im Opiumhandel verstrickt und wurde außerdem mit illegalen Spielhöllen in Verbindung gebracht. Ist Malaysia vielleicht das Land des Verschwindens? Wie man hört, sollen auch in Bali Menschen verschwinden. Die Balinesen haben eine Erklärung parat: he ‘s gone with the spirits. In Thailand verschwanden oder verschwinden immer noch politisch unliebsame Zeitgenossen. Also, immer wachsam sein in Asien.

Auszug aus “Malaysia Boleh” von Maria Kahl

Malaysia: 1999

Überarbeitet: Deutschland 2005